Diskurs über Querulanzia und soziale Gerechtigkeit 04 00:00 06:33 Herzlich willkommen zu unserer heutigen Erkundung. Vor uns liegt eine beachtliche Sammlung sehr persönlicher Dokumente. Schriftsätze, Notizen, Anträge von einer Person, die ihren Weg sucht. Unser Ziel heute, wir wollen für dich mal die zentralen Punkte aus diesen Unterlagen rausarbeiten. Die bilden ja einen langen Kampf ab, um Teilhabe, um Selbstbestimmung, gerade im Umgang mit Behörden und Gerichten. Das Besondere daran ist wirklich dieser direkte, unverstellte Einblick. Man sieht die Auseinandersetzung eines autistischen Menschen mit dem deutschen Sozial- und Rechtssystem. Und da wird eine fundamentale Kritik deutlich. Also am Jobcenter, am Sozialamt Kusel, an den Sozialgerichten. Oft auch gestützt auf das Grundgesetz, die UN-Behindertenrechtskonvention. Im Kern geht es halt immer wieder um dieses Gefühl, an bürokratischen Hürden zu zerschellen. Und um fehlenden Rechtsschutz. Gerade bei dem Versuch, ein eigenständiges Leben aufzubauen. Okay, lass uns da mal genauer draufschauen. Das Kernanliegen, das liest man ja immer wieder, ist Teilhabe und selbstbestimmte Lebensführung. Genau. Und zwar unabhängig von Sozialleistungen. Es gibt ja sogar die Forderung nach einem Recht auf Kapital für eine Existenzgründung. Was genau steht denn laut den Dokumenten im Weg? Also da kommt einiges zusammen. Zuerst mal die Konflikte mit dem Jobcenter und dem Sozialamt Kusel. Der Autor beschreibt halt wiederholte Untätigkeit, kritisiert, dass oft keine rechtsmittelfähigen Bescheide kommen. Also keine formalen Entscheidungen, gegen die man vorgehen kann. Richtig. Gegen die man offiziell Widerspruch einlegen könnte. Und er bemängelt auch die Missachtung der Beratungs- und Auskunftspflicht. Nach §25 VWVG zum Beispiel. Die ja eigentlich Orientierung geben soll. Eben. Die soll ja helfen. Das wirkt ja fast, als würden grundlegende Verfahrensrechte ausgehebelt. Man spürt förmlich diese Frustration, wenn so ein komplexes Anlegen wie Teilhabe im Verfahren L3a S55 23, war das, glaube ich, dann scheinbar auf einen Streit um acht Umzugskartons reduziert wird. Ja, genau das. Und die Kritik einer Justiz an der Sozialgerichtsbarkeit, die ist ähnlich fundamental. Inwiefern? Der Autor spricht von einem Mangel an effektivem Rechtsschutz. Vom Gefühl, kein rechtliches Gehör zu finden. Okay. Die Überlastung der Gerichte wird thematisiert, klar. Aber auch die Gefahr, als querulant abgestempelt zu werden, was den Zugang zum Recht natürlich noch mal erschwert. Und er nennt ja auch spezifische Verfahren, oder? Ja, S3 SO 123 zum Beispiel. Dahinter steht halt eine umfassende Systemkritik. Die Wahrnehmung einer systemimmanenten Diskriminierung durch Hartz IV, beziehungsweise jetzt Bürgergeld. Das er als neoliberal kritisiert. Genau. Er äußert sogar Zweifel an der Gewaltenteilung, weil Verwaltung und Justiz im Sozialrecht so eng verknüpft erscheinen. Was mir aber auffällt, trotz dieser massiven Kritik und den Widerständen, gibt es ja auch eine sehr proaktive Seite. Stimmt. Der Autor entwickelt konkrete Projekte. Patentanmeldungen, zum Beispiel für einen Handgriff. Ein Buchprojekt, Betrachtungen aus dem Mülleimer der Nation. Und verschiedene Konzepte für Selbstständigkeit. Coffeeshop, Coolway-Dorfladen, Publizistik. Das ist ja ein starker Gegenentwurf zur Abhängigkeit. Absolut. Das sind ganz klare Versuche, dieser, wie er es nennt, erzwungenen Erwerbslosigkeit zu entkommen. Und eben finanzielle Unabhängigkeit zu kriegen. Der Ausdruck des Wunsches nach Selbstbestimmung. Aber auch hier zeigen die Quellen die Barrieren. Die Finanzierung, nehme ich an. Ganz genau. Es fehlt an Geld. Prozesskostenhilfe, also die staatliche Hilfe für Gerichtskosten, etwa für einen Zivilprozess um ein Erbe, die wurde laut den Unterlagen verweigert. Okay. Anträge auf Stadthilfe wie die 5000 Euro für die Existenzgründung oder auch eine geforderte multidisziplinäre Bewertung nach der UN-BRK, die stoßen auf bürokratische Hürden. Da geht es oft nicht weiter. Und neben diesen systemischen Kämpfen wird ja auch die persönliche Ebene sehr deutlich. Der Autor ist Autist, Asperger-Syndrom. In einem Gutachten, dessen Aussagekraft er aber stark anzweifelt, wird ihm eine schizotype Persönlichkeitsstörung zugeschrieben. Er beschreibt Kommunikationsschwierigkeiten, das Gefühl, missverstanden zu werden. Und dann noch so existenzielle Sorgen. Fehlender Krankenversicherungsschutz, Probleme bei der Wohnungssuche, Stichwort Wohnraumbeschaffungskosten. Und genau hier wird der Bezug zur UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-BRK, besonders relevant. Ja. Die Konvention versteht Behinderung ja nicht nur medizinisch, sondern als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Beeinträchtigungen und Barrieren in der Umwelt. Okay. Sie fordert Inklusion, Artikel 19, und die Anpassung von Verfahren an individuelle Bedürfnisse. Und interessant ist, der Autor sieht seine Art der Kommunikation, die vielleicht in Gutachten als seltsam wirkt, offenbar als Teil seiner Identität, nicht primär als Störung. Verstehe. Die Dokumente selbst, in ihrer manchmal etwas unkonventionellen Sprache, die zeugen ja von diesem Ringen, um die Anerkennung der eigenen Sichtweise. Okay, fassen wir das vielleicht mal zusammen. Diese Dokumente zeichnen das Bild eines wirklich intensiven, jahrelangen Ringens. Ja, das tun sie. Es ist der Kampf einer einzelnen Person um Anerkennung, um grundlegende Rechte, um ein selbstbestimmtes Leben. Und das gegen erhebliche, ja systemische Widerstände. Ein Kampf um Würde und Teilhabe, der sicher weit über diesen Einzelfall hinausweist. Absolut. Und genau das führt zu einer abschließenden Frage, die wir dir einfach mal mitgeben möchten. Inwieweit müssen unsere etablierten Systeme, also Verwaltung, Justiz, Arbeitsmarkt, ihre Strukturen, ihre Kommunikation, vielleicht auch ihre Bewertungsmaßstäbe, mal grundlegend überdenken? Wie können sie sicherstellen, dass Menschen mit, sagen wir, unterschiedlichen neurologischen Voraussetzungen und in komplexen Lebenslagen wirklich faire Chancen bekommen? Auf Teilhabe, auf effektiven Rechtsschutz. Ohne, dass sie vorschnell in Schubladen landen oder durch standardisierte Verfahren ausgebremst werden.